Die eigentliche Herausforderung in Sachen Lieferperformance steckt in der richtigen Balance zwischen Effizienz und Resilienz. Doch für welche Produkte und Bauteile lohnt sich ein großer Lagerbestand oder der Aufbau unabhängiger Second Sources? Die Bewertung ist aufwändig und mit konventionellen Analysewerkzeugen kaum umzusetzen.
Neuartige Analyselösungen ermöglichen einen datengetriebenen Ansatz, um Schwachpunkte zu erkennen, Risiken vorausschauend zu managen und die Supply Chain nachhaltig zu stabilisieren.
Risikomanagement im Allgemeinen zielt darauf ab, Risiken zu identifizieren, zu bewerten, zu steuern und zu überwachen. All diese Schritte sind dann auch nachvollziehbar zu dokumentieren, um Entscheidungen abzusichern.
Die Ergebnisse werden dann meist in einer Risiko-Matrix bspw. als Heatmap visualisiert. Das schafft Überblick und erleichtert die Priorisierung vorbeugender Maßnahmen — und funktioniert natürlich auch für Risiken im Umfeld der Supply Chain.
Wenn es allerdings um komplexe Produktvielfalt und breite Lieferantennetzwerke geht, dann ist gerade die Analyse und Bewertung eine Herkulesaufgabe. Deswegen stützen sich die schön aufbereiteten Übersichten oft auf das Bauchgefühl einzelner Mitarbeiter.
Nach welchen Kriterien ließen sich Risiken eigentlich datengestützt bewerten?
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lieferant Probleme bereitet?
Aus derartigen Faktoren lässt sich eine Klassifizierung für die Eintrittswahrscheinlichkeit ableiten — als einfaches Ampelsystem oder ein gewichteter Score. Doch die Eintrittswahrscheinlichkeit sagt noch nichts darüber aus, wie sich die Risiken beim Ereigniseintritt auf das eigene Unternehmen auswirken. Hierfür sind Impactanalysen notwendig.
Chip-Mangel durch Dürre in Zentralasien — was bedeutet das für den eigenen Umsatz? Die Auswirkung externer Risiken auf die eigene Wertschöpfung zu verstehen, ist theoretisch ganz einfach — man folgt den im ERP-System abgelegten Wirkpfaden von Lieferanten über die gelieferten Bauteile, die Verwendung in den Stücklisten bis hin zu den Bestellkombinationen auf Kundenebene.
Mit automatisierten Impactanalysen werden die Wirkpfade systematisch abgeprüft und Auswirkungen zuverlässig quantifiziert. Startpunkt ist der Enterprise Digital Twin: Ausgehend von jedem Wertstromelement lassen sich die Auswirkungen durch den gesamten verknüpften Datengraph aus Lieferanten, Bauteilen, Produktstücklisten und Kundenbestellungen simulieren. Im Ergebnis zeigt sich schnell, wo hohe Stückzahlen, relevante Umsätze oder strategische Accounts betroffen sind.
Was bisher für einzelne Bauteile und Produkte Stunden und Tage gedauert hat, funktioniert jetzt mit dem gesamten Produktportfolio auf Knopfdruck. So lässt sich für jeden Lieferanten und jedes Bauteil eine klare Bewertung ableiten und die passende Strategie identifizieren. Denn letztendlich geht es ja darum, knappe Ressourcen so einzusetzen, dass notwendige Risiken in der Supply-Chain ausreichend abgesichert sind und kritische Entscheidungen schnell und datengestützt getroffen werden können.
Der Umgang mit kritischen Ereignissen lässt sich in drei unterschiedliche Szenarien unterscheiden: Reaktiv (operativ), Präventiv (taktisch) und Präemptiv (strategisch).
Der Schaden triff unmittelbar ein: Werksbrand, Maschinenschaden, Erdbeben am eigenen Standort. Hier sind eine unmittelbare Reaktion und operatives Handeln gefragt.
Die Auswirkungen eines akuten Lieferantenausfalls systematisch zu bewerten, kann mehrere Stunden oder Tage beanspruchen — die Analyse von Abhängigkeiten zwischen Lieferanten, Bauteilen, Produkten und Kundenbestellungen ist aufwendig. Doch gerade in dieser Situation zählt jede Minute: Wie gelingt es, die Auswirkungen so schnell einzuhegen, dass Kundenaufträge am besten gar nicht darunter leiden?
Wer akute Handlungsbedarfe blitzschnell erkennt, kann frühzeitig umdisponieren, mit Vertrieb und Kunden nach Lösungen suchen, Ersatzprodukte qualifizieren oder ggf. über Broker verfügbare Restbestände sichern, bevor der Markt leergefegt ist.
Brexit, Normänderungen, Zollbestimmungen. Manche Veränderungen sind frühzeitig zu erkennen. Daraus ergibt sich die Gelegenheit, die Not zur Tugend zu machen und strategischen Wandel anzustoßen:
Die Angriffsfläche lässt sich beispielsweise durch eine systematische Portfoliobereinigung oder -fokussierung reduzieren. So können erfolgskritische Ressourcen auf Innovation und Wachstum ausgerichtet werden, anstatt sich mit Portfolioballast zu beschäftigen.
Am besten sind die Probleme, die gar nicht erst entstehen. Vielleicht hängt das Wohl eines Unternehmens an einem einzelnen Chip, der in allen Produkten verbaut wird: keine Chance zur Eigenfertigung, Single Source-Beschaffung und aufgrund höherer Bauteilkosten vermutlich mit geringem Lagerbestand ...
Mit der gezielten Suche nach kritischen Komplexitätsmustern im Enterprise Digital Twin lassen sich Schwachstellen in der eigenen Wertschöpfungskette leicht identifizieren. Dank aufsummierter Impacts aller gleichartigen Schwachpunkte lassen sie sich einfach bündeln, priorisieren und abarbeiten. Risiken mit kleiner Eintrittswahrscheinlichkeit stehen bei der Priorisierung in der zweiten Reihe. Im Fokus stehen Themen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten und große Auswirkungen haben werden, denn hier hat vorausschauendes Handeln einen besonders hohen ROI:
Darüber hinaus lassen sich beliebige Komplexitätsmuster definieren — beispielsweise eine Häufung von Single-Sourced Komponenten auf Produktebene. So lassen sich Produkte mit erhöhtem Ausfallrisiko identifizieren und ggf. durch ähnliche Alternativen oder Produktnachfolger ablösen.
Mit einem digitalisierten Ansatz lassen sich Resilienz und Kosteneffizienz zukunftsorientiert ausbalancieren: Für welche Bauteile lohnt sich ein erhöhter Lagerbestand, wo bietet Eigenfertigung die notwendige Unabhängigkeit und wo ist eine Multi-Sourcing-Strategie die angemessene Ergänzung?
Wer das eigene Produktportfolio durch Impact-Analysen resilient aufstellt, bietet weniger Angriffsfläche für Störungen in der Wertschöpfungskette. Das Kerngeschäft ist ausreichend geschützt. Riskante Lieferanten sind eliminiert oder durch höhere Lagerbestände oder über Second-Sources abgesichert. Wer in volatilen Marktsituationen nicht mit der eigenen Lieferantenbasis kämpft, kann die Schwäche der Marktbegleiter direkt in Wachstum und zusätzliche Marktanteile umsetzen. So entsteht eine nachhaltig gestärkte Wettbewerbsposition und eine stabile Grundlage für hohe Kundenzufriedenheit.
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Anhang Begriffsklärung: